Bullshit Jobs

Im Jahr 1930 prophezeite John Maynard Keynes, dass die Technologie bis zum Ende des Jahrhunderts so weit fortgeschritten sein, dass Länder wir Grossbritannien und die Vereinigten Staaten bei einer 15-Stunden-Arbeitswoche angekommen wären. Aus technischer Sicht wären wir dazu auch in der Lage. Und doch wurden mithilfe der Technologie neue Wege erschlossen, damit wir alle mehr arbeiten. Dazu wurden Jobs geschafft, die letztlich nutzlos sind. Insbesondere in Europa und Nordamerika führen Menschen während ihres ganzen Berufslebens Tätigkeiten aus, von denen sie insgeheim glauben, dass sie nicht ausgeführt werden müssten.

David Graeber erforschte das Phänomen der «Bullshit-Jobs» 2018 in seinem Buch mit demselben Namen. Alles begann mit einem Artikel für eine Zeitschrift, der provokativ sein sollte. Eine Vermutung lies ihn das Thema aufgreifen: Jeder kennt berufstätige Menschen, die nach dem Eindruck von aussen eigentlich nicht viel tun. Die Liste an solchen Jobs schien ihm endlos und die Frage, ob es wirklich möglich ist, dass diese Jobs tatsächlich nutzlos sind und dass diejenigen, die sie ausführen, sich dessen auch bewusst sind, liess ihn nicht los. Kann irgendetwas stärker demoralisieren, als während seines ganzen Erwachsenenlebens morgens aufzuwachen und eine Arbeit verrichten, von der man insgeheim glaub, dass sie nicht verrichtet werden muss? Es gibt viele Umfragen dazu, ob Menschen in ihrem Beruf glücklich sind, aber kaum welche zur Frage, ob Menschen den Eindruck haben, dass ihr Beruf eine Daseinsberechtigung hat. Das Thema Arbeit ist mit vielen Tabus besetzt. Die Tatsache, dass viele Menschen ihren Job nicht gern tun und jede Ausrede, nicht zur Arbeit zu gehen, reizvoll finden, kann nicht ohne Weiteres öffentlich adressiert werden.

Welche Typen gibt es?

David Graeber hat die «Bullshit-Jobs» in fünf Kategorien unterteilt. Diese lauten: Lakaien, Schläger, Flickschuster, Kästchenankreuzer und Aufgabenverteiler.
Die Lakaien: Während der ganzen Menschheitsgeschichte neigten reiche und mächtige Menschen dazu, sich mit Dienern jeglicher Arten zu umgeben. Ein gewisses Mass an echter Arbeit wird von einigen erwartet, es gibt jedoch auch einen Anteil von Personen, die eigentlich nur die Aufgabe haben, herumzustehen und beeindruckend auszusehen. Ein Beispiel dafür ist Concierge in einem Wohngebäude: Die Hälfte der Zeit verbringt er damit, einen Knopf zu drücken, um die Haustür für Bewohner zu öffnen, und dann «Hallo» zu sagen. Diese Überbleibsel aus der Feudalzeit reichen bis zu Empfangspersonal an Orten, an denen sie eigentlich gar nicht gebraucht werden. Doch wem wären die Vorgesetzten Vorgesetzte, wenn es keine Lakaien gäbe?

Die Schläger: Damit gemeint sind Menschen, deren Tätigkeit ein aggressives Element beinhaltet, die aber nur deshalb existieren, weil andere Menschen sie anstellen. Ein Beispiel dafür sind staatliche Streitkräfte. Staaten brauchen Armeen nur deshalb, weil andere Staaten Armeen haben. Hätte niemand eine Armee, wären Armeen nicht notwendig. Es gehören aber auch Jobs in einem Callcenter dazu, deren Aufgabe es ist Menschen Dinge aufzuschwätzen, die sie nicht brauchen, statt Probleme zu lösen, derentwegen sie anrufen. Diese Menschen werden für Ihre Aggression und Täuschung bezahlt. Kaum etwas ist unangenehmer, als wenn man entgegen der eignen Natur dazu gezwungen ist, andere zu überreden, Dinge zu tun, die ihrem eigenen gesunden Menschenverstand widersprechen. Diese seelische Gewalt ist der Kern davon, was es bedeutet, Schläger zu sein.

Die Flickschuster: Diese Angestellten gibt es nur wegen einem Fehler in der Organisation. Sie sind dazu da, ein Problem zu lösen, das es eigentlich gar nicht geben sollte. Reinigen ist notwendig. Dinge werden selbst dann staubig, wenn sie nur herumstehen, und die normale Lebensführung hinterlässt Spuren. Aber aufzuräumen, wenn jemand unnötig Chaos anrichtet, ist ärgerlich. Der Flickschuster ist gezwungen die eigene Arbeit rund um die Sorge für einen bestimmten Wert zu organisieren, und zwar deshalb, weil wichtigere Menschen sich nicht darum kümmern. Dazu gehört das Überarbeiten von Texten und Berichten von Starautoren, sowie auch das Zusammenschustern von Programmier-codes, die nicht von Anfang an richtig geschrieben wurden.

Die Kästchenankreuzer: Diese Menschen müssen durch Papierkram vorgeben, dass sie eine Aufgabe verrichten, diese dadurch aber eigentlich immer weiter verschieben. Sie sind mit der Dokumentation von Arbeit beschäftigt, ohne selbst nützliche Arbeit zu verrichten. In einem Pflegheim werden zum Beispiel die Wünsche von Bewohnern aufgenommen und dafür wurde Arbeitszeit aufgewendet, ohne dass jemals danach gehandelt wurde.

Die Aufgabenverteiler: Diese Menschen managen andere Menschen, die gar nicht gemanagt werden müssten. Entweder sie teilen Untergebenen Arbeit aus, die ihre Aufgaben bereits gut kennen, oder sie schaffen immer neue Bullshit-Jobs.

Diese Typen können auch in Mischformen auftreten. Ausserdem gibt es auch eigentlich sinnvolle Tätigkeiten, die allerdings zur Unterstützung eines sinnlosen Projekts eingesetzt werden.
Menschen die solche «Bullshit-Jobs» verrichten fühlen sich oft ambivalent und diffus. Deshalb entwickeln sie auch Ängste und verlieren Selbstvertrauen. Jedoch sind viele Menschen dazu gezwungen solche Arbeiten zu verrichten, weil sie sich und die eigene Familie versorgen müssen.
Graeber bringt damit ein zeitgemässes Problem auf, welches viele Menschen betrifft.

Alexander Rossi

Chief Technical Officer